Rezensionen zu <<Vormittag in der Schweiz>>
Lebenslust in Schweizer Enge: Der Junge ist Sohn des Dorfpolizisten und kann sich immerhin dadurch vor den Schikanen der grösseren Buben schützen, indem er mit dem Polizeihund droht. Er wächst in einer atemberaubenden engen Welt aus Ordnungswahn und Sauberkeitsfimmel auf und rebelliert dagegen dementsprechend heftig.
Nüchtern und präzise erzählt Beat Eberle, Jahrgang 1953, eine Geschichte des Heranwachsens in den sechziger Jahren und der sexuellen Aus- und politischen Aufbrüche in den siebziger Jahren. Aber weg kommt man ja auch nicht und so berichtet Eberle auch von der schliesslichen Erdung im Herzen der Schweiz.
Wolfgang Bortlik in 20 Minuten
Der Ich-Erzähler wächst in den 50-er Jahren als Sohn eines Dorpolizisten in der Ostschweizer Provinz auf. Er ist ein stilles, nicht besonders glückliches Kind, das sich als Gymnasiast in die Literatur zurückzieht, sich dort seine eigene Welt fern von den erfolgreichen Mitschülern und der ehrgeizigen Mutter aufbaut. In den Werken von Hesse und Brecht lernt er die Auflehnung gegen das Kleinbürgerliche kennen; als Opfer einer übertriebenen Bevormundung durch die ordnungsliebende Mutter findet er hier Bestätigung. Lesen und Schreiben werden zu seiner Waffe gegen eine ungerechte Welt und sind auch wichtiger Teil in seiner Entwicklung zum Erwachsenen. Die 70-er Jahre mit unzähligen politischen Sitzungen und einer befreiten Sexualität erlebt er mit jeder Faser seines Körpers und hat endlich das Bewusstsein von einem eigenständigen Leben.
Vor dem Hintergrund einer bewegten Zeit schildert Beat Eberle in seinem ersten Prosawerk den Selbstfindungsprozess einse jungen Menschen und liefert ein eindrückliches Bild über das Befinden einer rebellischen und nachdenklichen Generation in der Schweiz der 70-er Jahre.
Sabine Huser in Bibliotheksdienst
Es ist in seiner Kleinheit ein aufschlussreiches Buch. Es hat etwas von einem guten Kinderbuch, es erklärt Schwieriges, indem es von den einfachen Dingen erzählt. Von der Mutter, in ständiger Sorge um ihre Erziehungsziele, Anstand und Sauberkeit. Kein Besuch, der macht Dreck und kochen muss man für den und weiss nicht was werden die anderen denken, die Perfekten. Und der Vater immer Sport, ein gesunder Geist im gesunden Körper, raucht in der Tiefgarage und am Ende fünf Bypässe auf einmal. Über Politik, Sex, Philosophie, Vietnam, geht kein einziges Wort verloren. Diese Lektüre hat mir offenbart, warum jemand auszog, um Achtundsechziger zu werden. Und das hat mich gerührt.
Tanja Messerli in Münstergass Buchtipps
Rezensionen zu DIE WELT IN HAUSEN
Unlarmoyante Einsicht in das Unwiederbringliche. Vom Aufbruch und Zurückkommen erzählt Beat Eberle in DIE WELT IN HAUSEN
Ein junger Mann schiebt einen Töff, die Zigarette hängt lässig im Mundwinkel - er ist "on the road". Beat Eberles Erzählband ist aber nicht so, sondern mit "Die Welt in Hausen" betitelt. Buchumschlag und Buchtitel wollen auf den ersten Blick nicht zusammenpassen: Da bricht ein junger Mann offenkundig in die weite Welt, verbleibt aber in der kleinen Welt von Hausen. Ein Widersrpuch? Nicht bei Beat Eberle. Denn alle Erzählungen kreisen um Aufbruch, Scheitern, Zurückkommen und Neubeginn in einer Welt, die selbst im Kleinen zu finden ist. Um sie einzufangen, "malt" der 55-Jährige, vom Aargauer Kuratorium ausgezeichnete Autor nicht mit postosen-, sondern mit feinen Aquarellfarben.
In Eberle Figuren könne sich vor allem jene, die in den Sechzigern und Siebzigern gross wurden, wieder erkennen. Wer hatte sie damals nicht, die grossen Träume, die im Verlaufe der Jahre stetig kleiner wurden? ... "Es war eine andere Zeit, the times, they are changin'", erwidert sie und bekundet damit unlarmoyante Einsicht in das Unwiederbringliche. Diese vom Autor fein schattierte Fähigkeit zeichnet alle Figuren aus. Irgendwann haben sie sich davongemacht. Sind von der Schule geflogen oder abgegangen, sind als Leser - fern der heimatlichen Enge und Zwänge - auf diese beiden Ernsts gestossen: Ernesto Cardenal und Ernest Mandel. Ernesto fürs Spirituelle. Ernest fürs Materialistische. Oder sie sind im "Abseits" gelandet, wo sie zum Alphirten, Käser und Philosophen geworden sind....
(Elisabeth Feller in MITTELLAND ZEITUNG vom 19. Juli 2008)
In seinem neuesten Erzählband "Die Welt in Hausen" setzt sich Eberle erneut mit den bewegten 70er Jahren auseinander. Viele seiner Figuren sind um die 50 und vom damaligen Lebensgefühl geprägt. Vom Drang nach Freiheit und dem Wunsch nach Befreiung von gesellschaftlichen Zwängen. Jetzt halten sie Rückschau. ... Seine Kurzgeschichten versteht Beat Eberle auch als Zeitdokument, seine Rolle als Autor als die eines Zeitzeugen. Immer wieder stellen seine Erzählungen die Frage nach dem glücklichen Leben: Ob der Bergbauer besser lebt als der Tiefbauingenieur, der Aussteiger besser als der Karrieretyp. Unterschiedliche Lebensentwürfe werden präsentiert und verglichen. Etwa in der Erzählung, die von einem Mann handelt, der - ganz im Sinn des 68er-Ideals - freiwillig auf seine Karriere verzichtet und stattdesssen das einsame Leben auf dem Berg als Alphirt und Käser gewählt hat. An einer Klassenzusammenkunft trifft er auf ehemalige Kameraden, die Karriere gemacht haben...
Sabine Schneiter in Zürcher Unterländer vom 23. April 2008
Neben dieser Kurzgeschichte Die Welt in Hausensind noch 16 weitere im Buch gesammelt. Alle Erzählungen sollen illusionslos in die Zeit des 68er-Aufbruchs blicken und zeigen, was davon an Gefühlen und Ideen geblieben ist...
Eberles Freund, der Dokumentarfilmer und Autor Adrian Bänninger, führt das Publikum kurz in das neue Werk ein und beschreibt Eberle als Autor, der "mit dichter, manchmal lapidarer Prosa das damalige Lebensgefühl wie kein anderer beschreiben kann." Als Eberle dann eine Geschichte aus dem Buch vorliest, lauschen die Besucher gebannt seinen Worten.
Nico Nabholz in Tages-Anzeiger vom 25. April 2008
Hausen? Nicht jenes am Albis oder bei Brugg, sondern dem "Hausen bei Wil", das nicht Wil ist, sondern Zug. Zuweilen erkenne ich im Ich, das in meist kurzen Texten zurückblickt, jenen Beat, den ich kannte. Zweilen fängt er die Stimmung "nach 68", wo sich unsere Wege im Buchhandel kreuzten, stimmig ein. Zumal zu Beginn - und im Umschlagbild! Mit der Vespa und den Büchern in andere Welten... .... Diesbezüglich schliesse ich mich "Freund A." an, der meinte, "ich solle aufhören mit diesen netten Geschichten und Geschichtchen." Doch "das letzte Prosastückli", in welchem diese Kritik auftaucht und sogar angenommen wird, war berührend genug, um mich zu versöhnen. Ja, wir werden älter.
Hans Steiger in P.S. vom September 2008
Ferien in der Toskana. Alles ist voller Schweizer und an jeder Ecke trifft der Erzähler auf eine Ex-Freundin oder ein Kind, das er einst gehütet oder gezeugt hat. Ein Anderer erzählt davon, wie er sich im Gefolge der 68er auf die Aenderung des eigenen Lebens sowie der Gesellschaft war, zwar nicht ganz den erwünschten Erfolg hatte, aber nun dennoch gut lebt. Beat Eberle schreibt aus eigener Erfahrung. So haben die Texte kein unangenehmes Pathos und rutschen nie ins Missionarische ab.
Wolfgang Bortlik in "20 Minuten"